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Von oben sieht man vieles schärfer!
Es gibt eine ganze Reihe von Artikeln in unseren Schachblättern, hier eine kleine Auswahl. Klicken Sie auf die Überschriften der verschiedenen Texte:
Dr. Hellmuth Lange: (Schach-) Spielend in die Chef-Etage?! (Ein Text aus der Vareler Jubiläumsbroschüre)
Das Schachspiel hat immer schon hohes gesellschaftliches Ansehen und geistigen
Rang gehabt. Ob sich aber die Fähigkeiten und Begabungen des im Schachspiel
Geübten auch in anderen Bereichen nutzen lassen, war seit jeher
umstritten.
Im Gegenteil, man warnte an Hand abschreckender Beispiele vor diesem Spiel
und seinen schlimmen Auswirkungen auf den Menschen und seine Psyche. Da ist
der Hinweis auf das seinerzeitige Schachwunderkind Paul Morphy, das mit 47
Jahren einsam und von Verfolgungswahn gequält starb. Oder der Weltmeister
Wilhelm Steinitz, von dem gesagt wird, er habe Gott zum Wettkampf
herausgefordert.
In Maßen gespielt, scheint es aber nun doch als eine Hilfe beim Üben
strategischen Denkens akzeptiert zu werden. Wie sonst ist es zu erklären,
daß sich die Industrie - zumindest die Banken - zunehmend für
Bewerber mit Erfahrung und Qualitäten im Schachspiel oder auch Bridge
interessiert.
Das tut zum Beispiel die Bankers Trust Corporation in New York, wenn sie
ihren Banker-Nachwuchs gezielt mit Anzeigen in Schach-Zeitschriften wie Chess
Life, New in Chess oder dem Bridge-Magazin Contract Bridge Bulletin sucht.
Ist somit in Zukunft Bridge kein elitärer Zeitvertreib mehr und Schach
nunmehr eine Etappe bei der Berufsausbildung? Das Kalkül scheint klar:
wer gewohnt ist, die nächsten Züge etwas weiter als der Gegner
oder Partner durchzurechnen, oder wer gelernt hat, 52 Karten im Kopf zu behalten,
ist Konkurrenten überlegen, die das Datum von der Armbanduhr ablesen
müssen oder die eigene Telefonnummer im Taschenkalender suchen. Die
Idee geht noch weiter: wer darin geübt ist, kalkulierte Risiken zugunsten
langfristiger Ziele einzugehen, wer die Fähigkeit pflegt, ein Knäuel
von Faktoren und möglichen Entwicklungen zu durchschauen und
vorauszuberechnen, wer darin trainiert ist, Geduld bis zum richtigen Moment
aufzubringen und das alles unter dem Zeitdruck der (Schach-) Uhr, der wird
auch das Talent haben, das den Devisenhändler befähigt, minutenschnell
strategische Abwägungen vorzunehmen, Pläne zu korrigieren und
vielschichtige Entscheidungen zu treffen.
Oder wird hier der spielerische Mensch gesucht, der in einer spielerischen
Atmosphäre Spitzenleistungen erzielt? Ist es vielleicht so, wie Marion
Kauke sagt, daß alle wirklich genialen, kreativen Menschen spielerisch
gearbeitet haben. Schiller schrieb schon in seinen philosophischen Arbeiten,
daß "der Mensch nur dort wirklich Mensch ist, wo er spielt". Ist es
das bewußte Spielen, was den Menschen von der Kreatur unterscheidet?
Auch wenn die Forschungen über die Gehirnzustände beim Spielen
noch in den Anfängen sind, so weiß man doch schon, daß beim
Spiel in unserem Gehirn biochemische Prozesse ablaufen und gehirneigene Opiate
ausgeschüttet werden, die uns zu höheren Leistungen verhelfen.
Also das Schachspiel in der Schule bei den jungen Schülern mehr pflegen?
Da dürfte schon etwas dran sein, zumal dieses Spiel nun schon seit
Jahrhunderten eine unveränderte Faszination auf den Menschen ausübt
und auch in der heutigen schnellebigen Zeit zu Ruhe und Konzentration zwingt.
Die weite Akzeptanz dieses Spiels zeigt sich auch schon daran, daß
Motive und Begriffe aus der Welt des Schachspiels in vielen anderen Bereichen
gebraucht werden - oftmals ohne daß derjenige sich dessen bewußt
ist ( Hängepartie, Zugzwang, Zeitnot, Pattsituation, Bauernopfer
u.v.a.m.).
Welche Gründe sprechen weiter dafür, sich in der Schule systematisch
mit dem Schachspiel zu beschäftigen? Das Schachspiel wirkt durch seine
Regeln erzieherisch und wird im Hinblick auf die Ausschaltung von Glück
und Pech leichter akzeptiert. Die Maßgabe "berührt - geführt"
verlangt Disziplin und im übrigen muß sich der Spieler
einigermaßen ruhig verhalten - was heute an sich schon eine Leistung
ist.
Das Schachspiel fördert die Konzentrationsfähigkeit gegenüber
der Ablenkung durch das vielfältige Angebot an Zerstreuung (Fernsehen
und Radio). Erfahrungsgemäß dient das Schachspiel auch dem Abbau
von Agressionen dadurch, daß diese innerhalb vorgegebener Regeln befriedigt
und neutralisiert werden, ohne dabei Schuldgefühle zu hinterlassen.
Nach wissenschaftlichen Untersuchungen fördert das Schachspiel
schließlich das logische Denken und das Gedächtnis, ebenso wie
das kreative Denken bei der Suche nach gewinn- bringenden Schachkombinationen
geübt wird. Und endlich ist das Schachspiel eine sinnvolle
Freizeitbeschäftigung, die man auch noch im Alter ausüben kann,
die das Gehirn munter hält und letztendlich auch kein Vermögen
kostet.
Darüberhinaus lehrt das Schachspiel, daß man Problemen nicht
ausweichen oder diese aussitzen kann, sondern durch Entscheidungen lösen
muß. Dazu zwingt im Spiel die Schachuhr, die unerbittlich die Zeit
des eigenen Nachdenkens abmißt und darauf hinweist, daß eine
Entscheidung getroffen, ein Zug gemacht werden muß. "Remis durch ewiges
Nachdenken" gibt es seit Erfindung der Schachuhr in der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts nicht mehr. Im Leben wird zwar erfahrungsgemäß immer
wieder versucht, Entscheidungen passiv durch Abwarten zu umgehen; die Folge
ist aber meist, daß andere die Entscheidung treffen und die Initiative
an sich reißen.
Also doch in den Schachklub, um sich auf die Entscheidungen im Leben
vorzubereiten?! Zu den 100000 Schachspielern gesellen, die in Deutschland
in 3000 Vereinen organisiert sind und das Schachspiel nicht nur gelegentlich
sondern regelmäßig in ihrem Club spielen und Spaß daran
haben?!
Die Mogelchance |
Hermann Züchner: Die "Mogel"-Chance (ein Text aus der Emder Jubiläumsbroschüre)
Ich hatte vor einigen Jahren in einem Spiel der Emder Seniorenmeisterschaft gegen meinen schärfsten Rivalen mit Weiß spielend zunächst die Qualität gewonnen und steuerte offensichtlich auf einen glatten Sieg zu. Doch dann lockte mich mein Gegner in eine böse Falle, die ich siegesgewiß übersah. Dieser Fehler kostete mich einen Läufer und zwei Bauern. Nach 46 Zügen, - mein Gegner hatte sich gerade von Zeitnot erholt,- stand ich hoffnungslos auf Verlust, wie das folgende Diagramm zeigt.
Bis dahin hatte ich mich noch gut halten können, weil mein Bauer auf
f5 den schwarzen Springer von f8 einengte, aber nun waren die schwarzen Bauern
bis nach g4 und h3 vormarschiert. Damit waren sie unaufhaltsam gefährlich
geworden, und ich konnte mit dem König nicht mehr an sie herankommen.
So zog ich nach demonstrativ gründlichem Nachdenken offensichtlich mit
bösen Hintergedanken als 47. Zug: f5-f6:
Dies war natürlich eigentlich ein Bluff, aber ich war ziemlich sicher,
daß mein Gegnern die beiden für ihn besten Züge nicht machen
würde. In Frage kamen dafür: 47. --- Txf6 oder 47. -- Se6. Den
Zug Txf6 würde mein Gegner wohl verwerfen, um seinen Läufer nicht
zu verlieren, obwohl er diese Figur zum Sieg garnicht mehr gebraucht
hätte.
Noch gefährlicher für mich war der Zug Se6. Aber mein Gegner
würde wohl Gespenster sehen: Könnte nicht doch etwas Schlimmes
nach meinem 48. Zug Bf6-f7 auf der Grundlinie geschehen? Außerdem hatte
ich ihm das Angebot gemacht, mit Te6+ meinen König auf die d-Linie
zurückzudrängen und anschließend mit Te6-d6 meinen Turm auf
d5 zu fesseln. Auf der 7. Reihe schien ja nur Bf6-f7 zu drohen.
So ging dann auch die Partie weiter: 47. --- Te6+; 48. Kd1 Td6. Damit war
ich, wie heimlich erhofft, am Ziel meiner Wünsche: 49. Tb7-g7+, beide
gefährlichen Bauern von Schwarz waren nicht mehr zu retten. Ein wichtiger
Zwischenschritt zum Remis war geschafft. Auch jetzt war die Sache noch schwierig
für mich, aber knapp zwanzig Zügen später war weit nach
Mitternacht das Remis geschafft.
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